Die Aktion „No Kaddish...“ setzt das seit rund zwei Jahren laufende Amerika-Projekt der Intro-Graz-Spection fort. Während bisher die Galerie Black Dragon Society von Hubert Schmalix die lokale Basis bildete, zieht die IGS diesmal in die Lord Mori Gallery ebenfalls in Los Angeles'
Chinatown.
Die bereits durchgeführten Projekte
Mayflower (1999 unter Beteiligung des Künstlerkollektivs
G.R.A.M., der Band BLOOM 05 sowie des Konzeptkünstlers Christian Marczik) und
Willkommen daheim (2000, „Splinters of an illusion called America“, 3 videos von
Georg Altziebler) setzten sich mit Mechanismen des Kulturtransfers anhand von dem Phänomen POP entlehnten Beispielen amerikanischer Alltagskultur auseinander.
„No Kaddish...“ besitzt die bisher stärkste Erdung in der Illusionsmaschine Los Angeles.
Gezogen wird eine Linie von der pop-immanenten Ego-Präsentation auf einer tatsächlichen Bühne zum Portrait eines aus Österreich emigrierten Juden. Der Mythos vom
umjubelten Popstar wird mit der Geschichte eines Ausgestoßenen verschränkt. Lebensläufe, die aus völlig unterschiedlichem Impetus zum selben örtlichen Ziel gelangten. Los Angeles (bzw. Hollywood) ist Fluchtpunkt am äußersten
Rand der sogenannten westlichen Welt. Ein Ort der temporären Sicherheit und der zeitlosen Glücksversprechen.
Bei „No Kaddish...“ bildet ein als Karaoke-Auftritt getarntes Konzert des rumänischen Countertenors
Mircea Mihalache (gespielt werden Songs der 30er Jahre) den Rahmen für den Film
„Keinen Kaddisch wird man sagen“ von Georg Altziebler.
Die Dokumentation zeigt die dramaturgisch verdichtete Version eines in Los Angeles aufgenommenen ca. 8-stündigen Interviews mit dem 1915 in Graz
geborenen Juristen und Staatswissenschaftler Dr. Helmut Bader*. In der Erzählung des 86-jährigen wird das exemplarische Schicksal eines Ausgestoßenen greifbar. Sein Lebensweg liest sich nicht linear
fortschreitend und stetig einer natürlichen Ordnung folgend, sondern labyrinthisch wie ein Zahlenrätselspiel. Ein fortwährendes Reisen, jedoch nicht aus innerem
Antrieb, sondern bestimmt von der Feindlichkeit, die ihm als Jude in der Alten Welt entgegengebracht wurde.
Der Titel „Keinen Kaddisch wird man sagen“ nimmt Bezug auf ein Gedicht von Heinrich Heine über das Außenseitertum der assimilierten europäischen
Juden – zwischen den Kulturen, zwischen den Religionen, zwischen Los Angeles (wo Bader heute lebt) und Auschwitz (wo ein Großteil seiner Familie ermordet wurde).
Die formale Anordnung des Films folgt aus dem Inhalt: Zu sehen ist ausschließlich die Mimik des Porträtierten. Es ist ein Gesicht, das auf
einzigartige Weise auch ohne Worte spricht.
Dr. Helmut Bader starb am 1. März 2002, einen Tag vor der Präsentation dieses Films in der Lord Mori Gallery. Die Intro-Graz-Spection widmete ihm diesen Abend in Los Angeles.
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by: Stadt Graz,
Land Steiermark, Bundeskanzleramt
/ Sektion Kunst
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